Krankheitsbilder

Krankheitsbilder

Der Ausdruck „Gestose“ ist – wie schon auf unserer Startseite beschrieben – ein geläufiger Oberbegriff für alle möglichen Arten der “gestörten Schwangerschaft” bzw. für Komplikationen, die nur durch das Vorhandensein einer Schwangerschaft überhaupt erst auftreten. Auf unserer Website ist die Rede von den so genannten „Spätgestosen“, die auch unter dem Sammelbegriff „hypertensive Schwangerschaftserkrankungen” zusammengefasst werden. In der Regel gehen sie mit einem Anstieg des Blutdrucks, mit erhöhter Eiweißausscheidung im Urin, Wassereinlagerungen (Ödemen) und der Störung von Leber- und/oder Nierenfunktion einher.

„Frühgestosen“, zu denen das übermäßige Erbrechen (Hyperemesis gravidarum) und übermäßige Speichelbildung (Hypersaliva gravidarum) gerechnet werden, werden hier auf unserer Website nicht behandelt, auch wenn eine Hyperemesis bei zu später oder zögerlicher Behandlung infolge eines Nährstoffmangels das Auftreten von Spätgestosen begünstigen kann.

Die vielen unterschiedlichen Bezeichnungen für Gestosen erklären sich aus den unterschiedlichen (Forschungs-)Ansätzen und Entstehungstheorien früherer Jahre und Jahrzehnte. Deshalb sind aus früheren Zeiten auch noch Begriffe wie EPH-Gestose, Schwangerschaftsvergiftung, Schwangerschaftsleber und Schwangerschaftsniere erhalten geblieben, aber auch uralte Begriffe wie „Hautwassersucht“ oder „Mutterfreisen“ (Eklampsie) beschreiben oft sehr gut die Symptome, die im Rahmen einer Gestose entstehen können.

Nachdem es immer noch keine ursächliche Behandlung für diese Erkrankungen gibt, wird in der Regel versucht, die Symptome zu lindern, während Mutter und Kind engmaschig bzw. engmaschigst überwacht werden. Dennoch sind Gestosen für rd. 30 % aller Frühgeburten verantwortlich. Vor der 34. Woche wird meistens versucht, die Schwangerschaft zu verlängern bzw. eine Verschlechterung hinauszuzögern, was leider nicht immer möglich ist. Nach der 34. Woche wird bei einer deutlichen Verschlechterung die Schwangerschaft hingehen eher beendet.

Nicht jede dieser Komplikationen verläuft gleich schwer, es kann auch nicht vorausgesagt werden, wie schwer eine beginnende Gestose verlaufen wird. Wir haben nur die Erfahrung gemacht, dass sehr früh einsetzende Erkrankungen oft auch einen besonders raschen und schweren Verlauf nehmen. Das frühe Auftreten von Gestosen (Early Onset Preeclampsia bzw. Early Onset HELLP-Syndrome) ist oft auch mit einem deutlicheren Wachstumsrückstand des Babys verbunden und deutet auf eine familiäre Veranlagung bzw. genetische Disposition für diese Komplikationen hin. Deshalb raten wir in diesen Fällen immer zu einer Untersuchung auf thrombophile und/oder immunologische Ursachen.

Nun zu den einzelnen Erscheinungsbildern der Gestose, von denen ungefähr 5 – 8 % aller Schwangerschaften betroffen sind:

Spritze und Pillen

Von SIH bzw. Schwangerschaftsinduziertem Hochdruck oder auch
Schwangerschaftshochdruck spricht man, wenn erstmals ab der 20.
Schwangerschaftswoche Blutdruckwerte von über 140/90 gemessen
werden. Keine vermehrte Eiweißausscheidung im Urin. Nachdem viele
Frauen sich mit dem erhöhten Blutdruck sehr wohl fühlen und keinerlei Symptome verspüren, ist es gut, dass im Rahmen der
Vorsorgeuntersuchungen für den Mutter-Kind-Pass der Blutdruck
regelmäßig gemessen wird.

Eine Präeklampsie wird diagnostiziert, wenn nach der 20. Woche erstmalig mehrmals Blutdruckerhöhungen über 140/90 oder einmalig über 160/100 gemessen werden und zusätzlich Eiweißausscheidungen über 0,3 g im 24-Stunden-Urin auftreten. Viele Frauen mit milder Präeklampsie haben keine Beschwerden, andere wiederum haben Kopfschmerzen, Seh- und Hörstörungen, zahlreiche Frauen lagern rasch Wasser in Beinen und Händen ein, was sich durch eine sprunghafte Gewichtszunahme zeigt und mit einer geringen Urinmenge trotz normaler Trinkmenge einhergehen kann.

Von einer Propfgestose spricht man, wenn bei Frauen, die unter vorbestehendem Bluthochdruck (chronischer Hypertonie) leiden, in der Schwangerschaft der Blutdruck weiter ansteigt und Eiweißausscheidungen auftreten, oder wenn eine bestehende Nierenfunktionsstörung im Rahmen der Schwangerschaft zu vermehrter Eiweißausscheidung und Bluthochdruck führt.

Eine Eklampsie ist gekennzeichnet durch Epilepsie-ähnliche Anfälle, die mit Bewusstseinsstörungen und Krämpfen auftreten. Glücklicherweise treten diese schweren Komplikationen heute nur mehr sehr selten auf, nämlich bei einer von ca. 2.500 – 3000 Schwangerschaften.

Ein HELLP-Syndrom kann sich aus einer Präeklampsie oder einem
Schwangerschaftshochdruck entwickeln, es kann aber auch plötzlich ohne jegliches vorbestehende Gestose-Anzeichen auftreten. Betroffen ist etwa jede 150. bis 300. Schwangere. Der Name setzt sich aus den wesentlichen im Labor feststellbaren Veränderungen zusammen:


H  Hämolysis (Zerfall von roten Blutkörperchen)

EL  Elevated Liver Enzymes (erhöhte Leberwerte)

LP  Low Platelet count (verminderte Thrombozytenzahl)

Das Leitsymptom des HELLP-Syndroms sind die rechtsseitigen
Oberbauchschmerzen, die jedoch auch in den Rücken, den Oberarm, die Schulter und Nacken ausstrahlen können. In vielen Fällen treten auch Übelkeit und Erbrechen oder Durchfall auf.

Starker Juckreiz kann ein Hinweis auf eine Schwangerschafts- Cholestase sein, die auch sehr gefährlich sein kann. Auch in diesem Fall sollten Mutter und Kind engmaschig überwacht werden und gegebenenfalls die Schwangerschaft früher beendet werden.

Blutabnahmepipetten
Gesundheit & Sicherheit

Plazentainsuffizienz bedeutet Störung der Funktion der Plazenta, des Mutterkuchens. Diese Störung beeinflusst die Versorgung des Babys und kann – je nach Ausprägung – von einem leichten Wachstumsrückstand bis zur Gefährdung des Lebens des Ungeborenen führen. Im Ultraschall zeigt sich ein verringertes asymmetrisches Wachstum des Babys (das Baby ist nicht einfach gleichmäßig klein, sondern vor allem der Bauchumfang ist auffällig gering), häufig gepaart mit einer verminderten Fruchtwassermenge. Dies kann dazu führen, dass die Kindsbewegungen reduziert sind. Der Fachausdruck dafür ist Intrauterine Wachstumsrestriktion oder Wachstumsverzögerung oder auf Englisch:
Auf Englisch: IntraUterine Growth Retardation, abgekürzt IUGR.
Abgegrenzt wird die IUGR von der Bezeichnung SGA (Small for Gestational Age = zu klein für die Schwangerschaftswoche), die nicht auf eine Plazentainsuffizienz zurückzuführen ist, sondern andere Ursachen – wie z. B. kleine Eltern – hat.

Diese Basis für diese Störung wird oft schon in den ersten Wochen der Schwangerschaft gelegt, weil die Verbreitung der Plazenta-bildenden Zellen (Trophoblast-Zellen) in der Gebärmutter durch verschiedene Ursachen behindert wird. Dadurch wird der Mutterkuchen nicht richtig angelegt und ausgebildet, was schon sehr früh zu einer Wachstumseinschränkung des Babys führen kann, und was beim Ultraschall der Gebärmutterarterien (das sind die Gefäße, die die Gebärmutter mit Blut versorgen) heute schon recht früh festgestellt werden kann. In diesem Fall spricht man von einer chronischen Plazentainsuffizienz. Wir raten betroffenen Frauen zu einer Abklärung von Gerinnungsstörungen und/oder immunologischen Ursachen.

Eine akute Plazentainsuffizienz entsteht durch den plötzlichen
Verschluss (Thrombose) eines oder mehrerer großer Plazentagefäße. In diesen Fällen ist das Wachstum des Babys lange unauffällig gewesen, plötzlich bleibt ein zeitgerechtes Wachstum jedoch aus. Diese Form kann durch starken Flüssigkeitsverlust bei der Mutter (beispielsweise im Rahmen eines schweren Magen-Darm-Infekts) entstehen, aber auch durch einen unbehandelten oder sehr schlecht eingestellten Gestationsdiabetes (Schwangerschaftsdiabetes), der sich auf die Lebenszeit der Plazenta stark verkürzend auswirken kann. Im letzteren Fall ist das Baby zuerst oft zu groß für die Woche, um dann plötzlich wieder in die normale Wachstumskurve hineinzufallen.

Langzeitfolgen

Wir wissen heute, dass Gestosen ein Hinweis darauf sind, dass die betroffenen Frauen ein erhöhtes Herz-Kreislauf-Risiko aufweisen, vor allem dann, wenn sie vor der 34. Woche aufgetreten sind. Auch eine Wachstumsrestriktion der Babys erhöht deren Risiko für Herz-Kreislauf-Probleme im späteren Leben, aber auch das Risiko für Stoffwechselerkrankungen. Es gibt Hinweise darauf, dass das Auftreten von Diabetes Typ II bereits in relativ frühen Lebensjahren auf ein zu rasches Aufholwachstum nach der Geburt zurückzuführen sein könnte. Umso wichtiger ist die medizinische Nachsorge für Mütter und ihre Kinder nach solchen Ereignissen.